This is not a wish concert

Ich unterhalte mich mit Jason (6). Im Gegensatz zu seiner kleinen Schwester hat er immer noch nicht realisiert, dass er zwei Sprachen spricht und versteht. Für ihn benutzt der eine halt eher das eine Wort, der andere das andere, aber da er beides versteht, fällt ihm nicht auf, dass es unterschiedliche Sprachen mit unterschiedlicher Grammatik sind und es nicht einfach eine Frage der Vorliebe ist, wer welches Wort sagt. Manchmal versuche ich dann, seine Wahrnehmung darauf zu lenken, dass sein Vater für alle Dinge ganz andere Worte benutzt, als zum Beispiel seine Mutter. Mit der kleinen Schwester funktioniert das gut, die liebt das Spiel, wenn ich frage „Und was sagt Daddy zu… ?“. Mit Jason funktioniert es meistens nicht, er behauptet dann steif und fest, dass Daddy ebenfalls das deutsche Wort benutzen würde. Heute frage ich ihn mal wieder und er lässt sich darauf ein, weil er eiiiigentlich aufräumen sollte. Am Ende unseres kleinen Spiels, was wie immer nicht wirklich geklappt hat, frage ich scherzhaft:

„Und, was sagt Daddy zu dir, wenn du deine Autos aufräumen sollst?“

„Please räum the Autos weg!“

„Ähm, ahja… „

„Nein, nein, Daddy sagt: Please räum the cars weg!“

„Ahja, achso…“

Das Pony des Todes

Mit die schönsten Geschichten, die ich erlebe, sind ja immer die mit Emily und Jason, die zweisprachig aufwachsen und von denen ich schon öfter berichtet habe. Da sie die Sprachen nicht immer klar trennen können, entstehen oft lustige Situationen und am besten ist, dass ich sogar mitlachen kann. Die beiden sprechen nämlich Deutsch und Englisch und beides verstehe ich.

Neulich wollte Emily (4) mir unbedingt von einer Sendung erzählen, die sie gesehen hatte, als sie bei ihrem Vater zu Besuch war, nämlich „Peppa Pig“ (im Deutschen „Peppa Wutz“, aber das wissen vermutlich alle, die Kinder haben, sofort). Ihr Vater ist der englischsprachige Elternteil, weshalb sie dort auch nur englische Sendungen gucken. Das stellte Emily nun vor ein Problem: In einem deutschen Gespräch mit mir wollte sie über eine Sendung berichten, die sie nur auf englisch kennt und in der also alles auf Englisch beschrieben wird und Dinge nur auf Englisch passieren. So erklärte sie mir also Grundlagen und die Fernsehsituation auf Deutsch, den Inhalt und die Charaktere aber auf Englisch, so dass mehrmals im Satz die Sprache wechselte.

Im Gegensatz zu ihrem großen Bruder hat Emily allerdings ein beginnendes Verständnis dafür, dass sie 2 Sprachen spricht und bei verschiedenen Personen auf jeweils eine bestimmte der Sprachen gefragt ist. Bei mir ist das Deutsch. Das führte dazu, dass sie ab und an gemerkt hat, dass sie Englisch mit mir spricht und nach den deutschen Wörtern gesucht hat, um für mich zu übersetzen. Das mit 4 war einfach nur herzallerliebst. Das hörte sich dann ungefähr so an:

Emily: George is little. Klein.

Ich: Ja?

Emily: „Little“ is Englisch.

Ich: Ja, auf deutsch sagt man „klein“

Emily: Ja. Daddy macht immer Englisch!

Später habe ich sie dann ins Bett gebracht, was natürlich nicht ohne ihr neues Kuscheltier ging. Dabei handelt es sich um ein ganz und gaaaar nicht übertrieben buntes, kitschiges Ding aus der „My little Pony“ – Familie namens Rainbow Dash. Kein Problem für die englischsprachige Emily, wenn… sie nicht lispeln würde. Sie stellt mir also das Tierchen vor, ich gucke sie irrtiert an: „Das ist Rainbow Death?“ Man weiß ja nie, vielleicht will „My little Pony“ mehr männliche Kunde erreichen oder ist feministischer geworden und die Ponys tragen mittlerweile tödliche Kämpfe untereinander aus. Emilys geschockter Blick lässt mich allerdings zweifeln: Neiiiin! Nicht Rainbow Death. Is Rainbow Daassssshsss!“

Oh. Rainbow Dash. Wohl doch nicht das Todespony des Regenbogens.

 

Andere Sprachen, andere Sitten

Eines der Kinder, die ich betreue, ist ein 6jähriger Junge, der zweisprachig aufwächst. Und wie das so ist, hat jede Sprache ihre eigenen Sitten.

Im Deutschen gibt es zum Beispiel die doppelte Verneinung, die schon vielen Muttersprachlern ein Graus ist. Kurz gesagt lautet die Regel „Minus mal Minus ist Plus“ „Zwei mal Nein in einem Satz bedeutet Ja“. Weil man ja die Verneinung verneint, es also keine Verneinung gibt. Irgendwie logisch, aber auch ein bisschen kompliziert, weil man immer genau hinhören und mitdenken muss. Und natürlich gibt es auch wieder Ausnahmen. „Niemals nicht“ bedeutet zum Beispiel immer noch nein. Warum auch immer… Deutsch ist da halt kompliziert.

In manchen anderen Sprachen ist es zumindest mit der Verneinung manchmal einfacher: Nein heißt nein, egal, wie oft es in einem Satz vorkommt. Wenn ein Kind dieses dann aus der zweiten Muttersprache ins Deutsche überträgt, kommt es manchmal zu, wie ich finde, wirklich niedlichen Sätzen, wo man erstmal kurz ins nachdenken kommt, bis man merkt, dass das Kind wirklich „Nein“ meint.

Beispiele von besagtem 6jährigen Jungen:

„Ich war das nicht gar nicht!“

„Ich hab aber keinen Hunger nicht.“

„Ella hört nicht auf zu weinen nicht“

„Niemand mag rote Beete gar nicht“

Kurzer Exkurs in die Sprachentwicklung

Nachdem ich in einem Kommentar in einem anderen Blog mal wieder auf einen weitverbreiteten Irrtum gestoßen bin, habe ich das zum Anlass genommen, hier etwas dazu zu schreiben.

Ganz oft habe ich schon gelesen/gehört, insbesondere von Kinderlosen: „Ohweia, wie sprechen die Eltern denn mit ihrem Kind? Hat denen jemand ins Hirn geschissen bei der Geburt den gesunden Menschenverstand abgenommen? MEINEN Kinder werde ich nie etwas von Wauwau, Heiaheia oder Ei-ei erzählen! Ich rede mit denen später wie mit ganz normalen Menschen!“

Von mir aus kann man das so handhaben. Macht meiner Meinung nach aber nicht all zu viel Sinn. Dazu ein sehr kurzgefasster Ausflug in die Sprachentwicklung von Kindern: Nachdem Baby uns in dem ersten Monaten mit Schreien beglückt hat und dann ein paar weitere Monate sinnloses Zeug vor sich hingebrabbelt hat, beginnt es im Alter zwischen einem und anderthalb Jahren, einfache erste Worte zu sprechen und zwar durch das Nachahmen von Lauten und das Verdoppeln von Silben. Das Kind nimmt also eine Silbe, wie zum Beispiel „Pa“ und verdoppelt sie. Schon hat es das Wort „Papa“ gesprochen. Oh Wunder, genau so wird aus Verdopplung der Silbe „Ma“ das Wort „Mama“. Zufall, dass das die Kosenamen für Mutter und Vater sind oder sind es eher die Kosenamen geworden, weil Kinder sie schnell und leicht aussprechen können? Das Selbe funktioniert natürlich auch mit der Verdopplung von „Wau“ zu „Wauwau“.

Am einfachsten auszusprechen sind für Kinder erst einmal alle Vokale. Mit ungefähr 24 Monaten kann das Kind auch die meisten Konsonanten aussprechen, mit einigen Ausnahmen wie S, Sch oder R. Bis es alle Konsonantenverbindungen, wie zum Beispiel tr, nd und bl aussprechen kann, dauert es in der Regel bis ungefähr zum 4. Geburtstag.

Wir können unseren Kinder also mit einem Jahr beibringen, dass da hinten wäre ein „Wauwau“ und es solle mal „Ei-ei“ bei der Mama machen. Dann benutzt es diese Wörter und wir müssen ihm mit fast 4 beibringen, dass man „streicheln“ (Achtung, Konsonantenverbindungen!) und „Hund“ (Noch eine Konsonantenverbindung!) sagt. Oder wir bringen dem Kind gleich die richtigen Wörter bei, leben damit, dass es, bis es zweieinhalb ist, gar nichts sagt, weil diese Wörter noch nicht ausgesprochen werden können und es diese dann noch anderthalb Jahre falsch ausspricht, weil die Fähigkeit dazu noch nicht ausgereift ist. Dann müssen wir ihm mit fast 4 beibringen, wie man „streicheln“ und „Hund“ richtig sagt.

Ergebnis: Macht keinen Unterschied. Letztendlich spricht ein Kind dann die „richtigen“ Wörtern, wenn es dazu in der Lage ist. Egal was man vorher tut, das ist erst in einem gewissen Alter der Fall. Solange kann man dem Kind Wörter mit verdoppelten Silben beibringen, damit es sich schon mal ausdrücken kann (übrigens interessant: Kinder verstehen und kennen die Wörter lange bevor sie sie selbst aussprechen können), oder das Kind kann sich vorerst sprachlich nicht ausdrücken.

Meine eigene Theorie ist übrigens, dass Eltern instinktiv merken, dass ihr Kind Silben verdoppelt, aber mehr noch nicht sprechen kann und sie deshalb in „Babysprache“ mit ihrem Kind reden und nicht weil ihnen jemand ins Hirn geschissen bei der Geburt den Verstand abgenommen hat.

 

 

Neues von Jason

Ihr erinnert euch an Jason aus diesem Beitrag?

Gestern habe ich ihn mal wieder ins Bett gebracht und er durfte sich noch ein Buch aussuchen, was ich mit ihm zusammen angucke. Nachdem es ungefähr ein halbes Jahr lang „Der Grüffelo“ war und dann ein paar Wochen „Das Grüffelokind“, suchte er sich gestern zur Abwechslung ausgerechnet ein Heft zum Englisch lernen für Kinder aus dem Regal. Na gut, von mir aus. Da er weder schreiben, noch lesen kann, zeigte ich ihm die Bilder und er sollte mir sagen, was das auf Englisch heißt. Klappte eher nicht so gut, da er noch zu klein ist, um zu verstehen, dass es unterschiedliche Sprachen gibt und er es gewöhnt ist, mit mir deutsch zu reden. Also antwortete er meist auf Deutsch. Dabei entstand dann folgendes Gespräch:

„Jason, was ist das?“

„Eine Katze.“

„Stimmt, auf Deutsch Katze. Und wie heißt das auf Englisch?“

„Mietzekatze!“

Ähm. Fast.

Jugendsprache 2.0

Heute in der Großstadt, 3 Jugendliche, schätzungsweise 16, hinter mir.

Jugendlicher: …genau so, wie „selbstredend“ einfach viel cooler ist als „selbstverständlich“!

Erstens wusste ich das noch nicht, zweitens habe ich noch nie Wörter nach Coolheitsgrad miteinander verglichen und drittens: Wenn das die neue Jugendsprache ist, kann es mit der Welt doch eigentlich nur bergauf gehen?

Frag Mia :-P – Böse Wörter

Bei fast jedem Kind kommt irgendwann der Tag, vorzugsweise wenn es 3 ist und einen Kindergarten besucht, an dem es einen begrüßt mit „Hallo, du Kacka-Mama!“. Herzlichen Glückwunsch, so eben haben die Schimpfwörter und die Fäkalsprache ins Familienleben Einzug gehalten. Nun stellt sich die Frage des Umgangs damit. Dazu muss man wissen, dass gerade noch sehr kleine Kinder oft Schimpfwörter nicht benutzen, um jemanden bewusst zu beleidigen. Dazu fehlt ihnen noch die Fähigkeit, sich überhaupt in anderen hinein zu versetzen und zu verstehen, wie die Mitmenschen sich fühlen. Für kleine Kinder ist das Tolle an Schimpfwörtern oft der Effekt, den sie damit auslösen. Schockierte Blicke, Mama verschluckt sich beim Essen, man hat plötzlich alle Aufmerksamkeit.

Um die Schimpfwörter also los zu werden, muss man logischerweise vermeiden, dass sie einen solchen Effekt erzielen. Die meisten Kinder rufen auch nicht den ganzen Tag „Haus!“ (es sei denn, sie können noch nichts anderes). Es passiert meistens einfach nichts spannendes, wenn man „Haus!“ sagt. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, einmal eine klare Ansage zu machen, dass das Wort nicht schön ist, oder beleidigend oder was auch immer passt und dass ich das nicht hören möchte. Damit wissen die Kinder wie man dazu steht und ab dann hilft ignorieren. Wenn niemand reagiert, ist das Wort nichts besonderes und es wird langweilig, es zu benutzen. Was ich immer wieder erlebe, was aber überhaupt keinen Sinn macht, ist, Kleinkinder Vorträge darüber zu halten, wie XY sich fühlt, wenn man das Wort benutzt. Kleinen Kinder fehlt, wie schon gesagt, die Möglichkeit, sich in anderen hinein zu versetzen. Das mag vielleicht ab dem Alter von 5 Jahren eine Option sein. Ab dann kann man auch nachfragen, ob Kinder überhaupt wissen, was das, was sie sagen, bedeutet und erklären, warum solche Umgangsformen nicht erwünscht sind. Aber dafür brauchen Kinder schon eine gewisse Reife…

Mein Block, meine Straße, mein Durst.

Es gibt zwei Dinge, die ich heute zu sagen habe.

Geschwister wollen meistens genau das haben, was der Bruder/die Schwester gerade hat. Ob sie’s brauchen oder nicht. Und auch, wenn es bis vor einer Minute noch der uninteressanteste Gegenstand der Welt war. Es kann schließlich nicht angehen, dass der eine eventuell übervorteilt ist. Da kommt sofort Neid und Eifersucht auf.

Kinder lernen Sprache (ganz kurz gefasste Version), in dem sie Wörter hören, die von anderen gesprochen werden, während der Fokus dieser Person (und des Kindes) auf einem bestimmten Gegenstand liegt. So verknüpfen sie Wörter mit Gegenständen.

So, jetzt bräuchte ich eine elegante Überleitung, um zu erklären, wie diese beiden Sachen zusammen gehören. Habe ich aber nicht, deswegen mache ich das einfach so: Offenbar hat man Emily, immer wenn sie auf ihre Trinkflasche gezeigt hat oder man ihr so etwas zu trinken gereicht hat, gefragt „Hast du Durst?“. Dieses hat mit der Zeit dazu geführt, dass sie die Verbindung aufgebaut hat „Gegenstand: Trinkflasche = Wort: Durst“. Nun zum Thema Eifersucht unter Geschwistern: Immer, wenn ich mit Jason und Emily unterwegs bin und Jason etwas trinkt, steht Emily vor ihm, fängt an zu heulen und zu schimpfen, versucht ihrem Bruder die Trinkflasche zu entreißen und schreit: Mein Durst! Mein Durst! MEIN Durst!

Ich hatte nicht vor, ihr ihren Durst zu klauen… wie auch?

Nooos!

Bei einem der ersten Male, die ich Jason und Emily betreut habe, war ich mit den beiden auf dem Spielplatz. Die Kinder waren noch klein und nur halb so anstrengend wie mittlerweile und es lief alles ziemlich gut. Bis Jason auf einmal vor mir stand und energisch „Noooos“ verlangte.

Ich riet eine Antwort „Ja, genau!“

War wohl nicht die richtige, Jason verlangte hartnäckig „Noooooos“.

Ich versuchte es mit „Ja, ich weiß doch…“. Half auch nicht, Jason wurde langsam verzweifelt, ich auch.

„Ich verstehe nicht, was du meinst…“ Jason fing an zu weinen.

Ich versuchte ihn zu trösten: „Komm, wir gehen nach Hause, Mama gibt dir bestimmt „Noooos“. Aber erstmal putzen wir jetzt deine Nase!“

Ich packte ein Taschentuch aus und ein Strahlen erhellte Jasons Gesicht. Er nahm mir das Taschentuch ab, sprach „Jaaaa, noooos!“ und wischte sich die Nase ab.

Die Lösung des Rätsels: Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass der Vater der Beiden, der ja nicht mehr mit ihnen zusammen lebt, muttersprachlich Englisch spricht und die Kinder zweisprachig aufwachsen. Jasons „Noooos“ hieß orthographisch korrekt „nose“ und war bei ihm die Bezeichnung fürs Nase putzen. Mit der Zeit stellte sich heraus, dass sie, wenn sie wieder ein paar Tage beim Vater waren, meistens mehr Englisch als Deutsch sprachen.

Nachdem dieses Rätsel gelöst war, konnten die beiden friedlich noch ein bisschen weiterspielen. Die Zweisprachigkeit der Beiden bringt uns allerdings immer mal wieder in witzige Situationen, zum Beispiel, wenn Jason mir mitteilt, dass auf dem Bild „Ein horse“ zu sehen ist, ich antworte (weil ich an das Eine-Person-eine-Sprache-Prinzip glaube) „Du hast recht, ein Pferd!“ und er mich empört anschaut und sagt: „Nein! Horse!“ Wir können gut eine Viertelstunde darüber diskutieren, ob ein horse das gleiche ist wie ein Pferd, ein donkey wie ein Esel und eine cow wie eine Kuh. Auch nett sind die Blicke der Mitfahrenden in öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn ich die ganze Zeit deutsch mit den Kindern rede und Emily plötzlich ruft: „Guck mal, ein lion!“ Richtig gespannt bin ich allerdings auf die Zeiten, wenn sie Wörter lernen, die ich mit meinem (immerhin Leistungskurs!) Schulenglisch nicht mehr verstehe.